«  1  »

 

Gemeinderat, 46. Sitzung vom 23.09.2004, Wörtliches Protokoll  -  Seite 50 von 119

 

Stresssymptome festgestellt – also ein wirklich ernst zu nehmendes Thema.

 

Diese Informationen zeigen deutlich auf, wie dringend ein Anti-Stalking-Gesetz in Österreich notwendig ist, um dieser Form der Gewalt ein wirksames Instrument entgegensetzen zu können. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Vorsitzender GR Günther Reiter: Zu Wort gemeldet ist Frau GRin Martina LUDWIG. Ich erteile es ihr.

 

GRin Martina LUDWIG (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtags und Gemeinderats): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Frau Berichterstatterin! Werte Kolleginnen und Kollegen!

 

Kurz auch zur White Ribbon-Kampagne, wobei hier vieles, gerade auch von meiner Vorrednerin, schon dazu gesagt wurde.

 

Ich möchte nur sagen: Ich bin sehr froh und auch stolz darauf, dass wir als Stadt Wien derartige Kampagnen nach wie vor unterstützen, mit Subvention unterstützen.

 

Die Frage, von wo wir das Geld hernehmen, ist sicher eine Frage, die uns hoffentlich im nächsten Jahr auch noch beschäftigen wird. Ich möchte nur anmerken, dass wir als Stadt einfach Initiativen nicht kürzen, sondern nach wie vor die Gelder zur Verfügung stellen. Das ist in Zeiten wie diesen einfach etwas, worauf man stolz sein kann und womit ich auch sehr zufrieden bin. Inhaltlich brauche ich nichts mehr dazu zu sagen, da hat meine Kollegin Feldmann ja schon sehr viel dazu gesagt.

 

Nun aber zum Thema Stalking oder Psychoterror. Wir haben ja jetzt schon einiges dazu gehört, für viele, auch in den letzten Wochen, wo wir Gespräche geführt haben, ist es oft noch ein relativ unbekannter Bereich. Alleine das Wort "Stalking" ist noch nicht so verbreitet, wie man das manchmal annehmen möchte, aber für Expertinnen und Experten – abgesehen natürlich von den vielen Hunderten, Tausenden Opfern – ist Stalking schon lange die tägliche Realität. In den Medien werden wir alle oft genug damit konfrontiert, wenn es um Namen geht wie Madonna, Britney Spears, Jodie Foster oder Waris Dirie, um nur einige bekannte Namen zu nennen, die Opfer von Stalking wurden, dem so genannten Prominenten-Stalking. Die machen Aufsehen, die finden sich medial natürlich in erster Front wieder, wobei das Thema Prominenten-Stalking sicherlich auch jener Grund war, warum gerade Kalifornien der erste Staat war, der hier gesetzliche Regelungen gemacht hat im Jahr 1990, wie Barbara Feldmann ja schon gesagt hat.

 

Aber wie schaut jetzt die tägliche Realität in Wien aus? Und ich bin sehr froh, dass wir als Stadt vor zwei Jahren die Initiative gesetzt haben und das Frauenbüro der Stadt Wien eine Studie in Auftrag gegeben hat, die hier viele interessante neue Daten geliefert hat als Grundlage, nicht zuletzt auch für die heutige Resolution.

 

Und, wie gesagt, im Großen und Ganzen die wichtigsten Fakten. Von 1 000 befragten Wienerinnen gab immerhin jede vierte an, zumindest einmal schon Opfer von Stalking gewesen zu sein. Das ist überraschend viel, habe ich mir zumindest auch gedacht, die mit dem Thema doch schon einige Jahre beschäftigt ist.

 

Infolge auch dieser Studie hat das Frauenbüro gemeinsam mit dem 24-Stunden-Notruf der Stadt Wien letztes Jahr eine Enquete organisiert, eine sehr erfolgreiche Enquete, die großes mediales Echo hervorgerufen hat und auch sehr, sehr großes Interesse generell in vielen Bereichen, wie bei der Justiz und der Polizei. Ich denke, dass die Enquete sicherlich auch ein Grund war, warum es mittlerweile bei der Wiener Polizei auch Stalking-Beauftragte gibt und derzeit, soweit ich informiert bin, auch eine Arbeitsgruppe, die sich mit dem Thema "Stalking" bei der Polizei beschäftigt.

 

Was "Stalking" heißt, hat die Barbara Feldmann schon gesagt. Das Wort kommt ursprünglich aus der Jagdsprache. International wird der Begriff natürlich heute anders verwendet. Es heißt Kontrolle, Macht über andere zu haben, so wie das auch Sie gesagt haben. Prinzipiell heißt "Stalking", und das versteht man unter Psychoterror in diesem Zusammenhang, dass gegen den Willen einer Person, in Ruhe gelassen zu werden, ein Recht, das man in Anspruch nehmen sollte, der Täter oder die Täterin, denn auch die gibt es, wie wir gehört haben, den Kontakt nicht unterlassen, sondern im Gegenteil ihn in den verschiedensten Formen, und da haben wir die wichtigsten auch heute schon gehört, erzwingt.

 

Dass Psychoterror meistens von Männern gegenüber Frauen ausgeübt wird, haben wir auch schon gehört. 60 Prozent der Opfer hatten eine intime Beziehung mit dem Täter. Und besonders oft, und das zeigen alle internationalen Studien, wird vor allem auch dann gestalkt nach der Trennung, wenn es innerhalb der Beziehung schon familiäre Gewalt gab. Das heißt, dass 80 Prozent der Opfer, der weiblichen Opfer, auch in der vorangegangenen Beziehung bereits Opfer von körperlicher oder sexueller Gewalt waren. Ich denke, dass dieser Zusammenhang ein ganz, ganz wichtiger ist, wenn man sich mit dem Thema beschäftigt.

 

Psychoterror dauert durchschnittlich zirka ein bis zwei Jahre, manchmal auch viel, viel länger. Wir haben auch von Fällen gehört, wo es Jahrzehnte angedauert hat. Das führt bei den Opfern natürlich zu vielen dramatischen Folgewirkungen. Von den Angstzuständen, Schlafstörungen, Depressionen, psychosomatischen, posttraumatischen Störungen haben Sie auch schon gehört. Aber der Terror greift natürlich auch sehr oft tief in das tägliche Leben des Opfers ein. Das heißt, Opfer werden natürlich sehr, sehr oft gezwungen, ihr Leben vollkommen zu verändern.

 

Selbstbestimmtes Leben ist in vielen Fällen gar nicht mehr möglich. Und was heißt das jetzt? Man muss sich das vorstellen. Was heißt das, wenn Frauen dann versuchen zu flüchten, sich irgendwie Schutzmaßnahmen aufzubauen? Das heißt oft Wechsel der Wohnung. Das heißt sehr oft auch Aufgabe und Verlust des Arbeitsplatzes, weil einfach der Stalker permanent vor dem Arbeitsplatz steht. Auch in der Arbeit wird Terror verursacht.

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular