Red Flags – Cyber-Gewalt in Beziehungen

Alarmsignale für Cyber-Gewalt können sein:

  • Einsatz von Technologie, um deinen Aufenthaltsort zu verfolgen
  • Verwendung von Ortungsgeräten zur Überwachung deines Aufenthalts und deiner Aktivitäten
  • Übermäßiges Anrufen sowie Versenden von E-Mails und SMS
  • Verweigerung des Zugangs zur Technologie, um dich zu isolieren
  • Versenden von beleidigenden Nachrichten im Internet, um dich und/oder deine Familie/Freund*innen zu bedrohen
  • Weitergabe intimer und privater Bilder oder Nachrichten im Internet
  • Belästigung durch beleidigende oder bedrohliche Texte oder Nachrichten
  • Erstellung falscher Profile, um dich zu belästigen
  • Überwachung deiner Online-Aktivitäten
  • Überprüfen deines Suchverlaufs
  • Herausgabe der Passwörter für deine Online-Konten
  • Einschränkung des Zugangs zu deinen Finanzen mithilfe von Technologie
  • Zugriff auf deine persönlichen Konten ohne dein Wissen oder deine Zustimmung

Die ersten Hinweise auf Cyber-Gewalt, die ersten "Red Flags", sind zunächst oft noch nicht strafrechtlich relevant. Denn scheinbar wird mit Zustimmung der Partnerin gehandelt. Bemerkbar machen sich die Red Flags etwa durch:

Kontrolle durch unablässigen Kontakt (schon während der Beziehung)

  • Fallbeispiel 1:
    Larissa ist frisch verliebt. Sie ist auch tagsüber viel in Kontakt mit ihrem Liebsten und genießt es, dass er ihre Nähe online und offline sucht. Langsam merkt sie aber, dass ihr Freund sie häufig bei der Arbeit kontaktiert, ungeduldig wird, wenn sie während eines Meetings nicht gleich antworten kann. Wenn sie ab und zu am Abend ihre Freundinnen trifft, läutet unablässig das Telefon oder es scheint eine Benachrichtigung auf, weil ihr Partner wissen will, wie es ihr geht, wo sie gerade ist, über welches Thema sie gerade mit ihren Freundinnen spricht, wer aller mit dabei ist, ob er sich eh keine Sorgen machen muss, wann sie nach Hause kommt. Er schreibt ihr, dass er Larissa liebt, dass er sie vermisst, dass er auf sie wartet und so weiter. Immer wieder muss sie ihre Arbeit unterbrechen, weil sie ihrem Freund antworten muss. Beim Treffen mit Freund*innen kann sie kein Gespräch mehr in Ruhe führen und checkt häufig ihr Handy. Insgesamt sind es schon 120 Nachrichten an einem Tag:
    • Wie reagiert er, wenn sie einmal nicht sofort antwortet? Reagiert er mit Klagen darüber, Vorwürfen, Beschimpfungen, Schlägen, Drohungen (online und offline) oder ist das für ihn gut aushaltbar?
    • Kann Larissa ihrem Alltag und dem, was sie machen will, noch gut nachkommen?

Wie viele Mails, SMS, Nachrichten et cetera sind zu viel? Die ständige Kontaktaufnahme ist oft bereits eine Red Flag. Bei beginnender Verliebtheit kann es sein, dass man sich tatsächlich viele Nachrichten schickt. Auch in Beziehungen gehört das zum Alltag, doch ist es ein Zeichen von Liebe, oder ist es Kontrolle:

  • wenn er dich ständig durch Anrufe, SMS, Chats et cetera kontaktiert?
  • wenn er dich durch SMS oder Messenger-Dienste ständig zur Weitergabe deines Standorts auffordert?
  • wenn du keine Gespräche mehr mit Menschen ohne Unterbrechung führen kannst?

Ständige Kontrolle der (Social-Media-)Aktivitäten, auch online

  • Fallbeispiel 2:
    Du bist in einer Beziehung und dein Partner nimmt dein Handy und beginnt Nachrichten von Freund*innen zu lesen und zu kommentieren. Er beurteilt, was du geantwortet hast. Er macht sich über Gesagtes oder Geschriebenes lustig. Er sagt, dass er nicht möchte, dass du mit einer bestimmten Freundin Kontakt hast und über ein bestimmtes Thema redest. Bei einer anderen Nachricht von einem Arbeitskollegen wird dein Partner wütend und wirft dir vor, fremdzugehen. Er verlangt, dass du den Kontakt löschst.

In dieser und einer ähnlichen Form kann es anfangen. Wie geht es dir, wenn er dein Handy nimmt? Wie ist das Verhalten deines Partners in anderen Situationen, schreit er dich an, schubst oder schlägt er dich? Macht er sich auch in der Offline-Welt lustig, wertet dich ab, verbietet dir soziale Kontakte? Was passiert, wenn du ihm dein Handy nicht gibst?

Ist es ein Zeichen von Liebe, Interesse und Beweis dafür "keine Geheimnisse voreinander zu haben" oder ist es Gewalt:

  • wenn dein Partner ständig deine Online-Aktivitäten kontrolliert und deine Nachrichten, E-Mails oder Social-Media-Konten liest (auch wenn es anfänglich noch mit deiner Zustimmung ist)?
  • wenn dein Partner ohne deine Zustimmung deine Online-Aktivitäten mitverfolgt?
  • wenn dein Partner dir vorschreibt, wann, wie lange und mit welchen Programmen du dein Handy benutzen darfst?

Kennen der Passwörter

  • Fallbeispiel 3:
    Du bist in einer Partnerschaft, sehr verliebt, schnell zusammengezogen. Dein Freund übernimmt die Einrichtung aller IT-Geräte und Programme. Dabei braucht er auch immer wieder dein Passwort. Ihr vertraut einander. Warum auch nicht. Dann änderst du dein Passwort, weil du von dem Programm daran erinnert wirst. Das fällt auch deinem Freund auf. Er fragt, ob du ihn denn nicht mehr liebst? Ob du etwas zu verbergen hast? Damit er Ruhe gibt, und weil du dir sagst, dass du tatsächlich nichts zu verbergen hast, gibst du ihm die neuen Passwörter.

Welche Dynamik läuft hier ab? Wo ist die digitale Grenze? In diesem Beispiel zeigt sich auch die Verwobenheit von "klassischen Gewaltformen" und "Cyber-Gewalt". Das Kennen von Passwörtern gehört zum Punkt "Kontrolle" der Online-Aktivitäten. Auch hier beginnt es oft harmlos und auch mit einem Gefühl, dass man gegenseitig nichts zu verbergen habe und keine Geheimnisse voreinander hat. Doch wo ist die Grenze?

GPS/Standortfreigabe/Tracking

  • Fallbeispiel 4:
    Dein Partner will, dass ihr euch gegenseitig trackt. Dann könne er dich überraschen, wenn du in der Nähe bist. Das hört sich doch fein an. "Wir haben ja eh nichts voreinander zu verbergen." Er taucht oft auf, wo du bist. Manchmal hat er einen Coffee to go in der Hand und bringt dich zum Lachen. Manchmal stört er, weil du dich mit deiner Freundin oder Schwester allein treffen willst. Du musst dich zunehmend rechtfertigen, wo du warst. Wenn es Ortungslücken gab, schreit er dich an, sobald er dich sieht, macht dir Vorwürfe oder beginnt sofort SMS zu schreiben und anzurufen.

Ist es Liebe oder Gewalt, wenn der Partner immer den Standort weiß? Auch hier ist die Dynamik wie beim "Kennen der Passwörter":

  • weil "eh nichts zu verbergen ist“,
  • weil es so praktisch ist,
  • weil er darauf besteht?

Fühlt sich Tracking okay an? Wann fühlt es sich nicht mehr okay an? Auch hier wird die Verwobenheit von Cyber-Gewalt und "klassischen" Gewaltformen sichtbar.

Red Flags

Weitere Red Flags (oft noch mit Zustimmung der Partnerin) sind:

  • Finanzielle Kontrolle (vergleichbar mit Passwörter kennen): Ist es Liebe oder Kontrolle, wenn der Partner einen Zugang zu deinem Konto und Abos/Accounts hat, weil er sonst meint, du würdest ihm nicht vertrauen oder ihn lieben?
  • Isolation: Kontrolle durch Verweigerung des Zugangs zur Technologie, um dich zu isolieren
    • Wenn du von Freund*innen und Familie isoliert wirst, indem er deine Online-Verbindungen kontrolliert oder dir den Kontakt zu Freund*innen verbietet, ist das ein Warnzeichen.
  • Doxing: Wenn dein Partner deine persönlichen Informationen, wie deine Adresse oder Telefonnummer, online ohne deine Zustimmung veröffentlicht, kann dies äußerst schädlich sein.
  • Identitätsdiebstahl im Internet: Das Stehlen deiner Online-Identität oder das Nachahmen deiner Person auf Social-Media-Plattformen oder anderen Online-Plattformen ist eine weitere Form von Cyber-Gewalt.
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